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Kino – «The Brutalist»

Beton als Seelenpflaster

Adrien Brody spielt im zehnfach oscarnominierten «The Brutalist» einen Architekten, der Grosses will.

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Architekt mit Visionen.

Laszlo Toth: Architekt mit grossen Visionen.

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Antonio Gattoni

Klobig, blockig, geometrisch in der Form und mit viel rohem Sichtbeton (beton brut): Der Brutalismus war eine radikale Bewegung in der Architektur, die zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren verbreitet war und später als hässlich in Verruf geriet. Auch Le Corbusier liebäugelte mit dem Stil, etwa mit der Unité d’habitation in Marseille.

«The Brutalist» spielt auf den Architekturstil an und ist als Film selbst ein solch eigenwilliger Klotz. Er dauert dreieinhalb Stunden, ist simpel und doch komplex, geradlinig, aber auch monumental breit. Und der Begriff «brutal» passt zu den Themen des Films, wie das Überleben des Holocaust, der schwierige Neuanfang in einem anderen Land, der illusorische amerikanische Traum.

Im Zentrum steht der ungarisch-jüdische Architekt Laszlo Toth (Adrien Brody), der nach dem Zweiten Weltkrieg per Schiff in die USA auswandert. Das Erste, was er vom neuen Land sieht, ist die Freiheitsstatue, aber verkehrt herum. Auch sein neues Leben steht kopf: Mittellos findet er Arbeit bei seinem Cousin Attila (Alessandro Nivola), der ein Möbelgeschäft führt. Als Laszlo später für den selbstherrlichen Tycoon Van Buren (Guy Pearce) eine Bibliothek baut, ist dieser zuerst erbost über die minimalistische Ausführung, wird aber bald zum Bewunderer.

Er stellt Laszlo seinen Freunden vor und sorgt dafür, dass er Frau und Nichte nachholen kann. Und er möchte, dass Laszlo für ihn ein gigantisches Gemeindezentrum baut, ein Monument für seine Mutter. Schnell hat der Architekt eine Vision, doch die Realisierung des Projekts verzögert sich. So kämpft Laszlo gegen Drogenprobleme und weigert sich, von seinen perfektionistischen Vorstellungen abzuweichen. Er will Beton als Grundmaterial, Van Buren zieht Marmor vor. Das führt zu Differenzen mit dem Bauherrn, die sich zuspitzen.

«The Brutalist», zehnfach oscarnominiert, ist fast so gigantomanisch wie das Bauwerk im Film: Regisseur Brady Corbet zieht kompromisslos sein Ding durch. Der Film startet als Migrantendrama – mit Laszlo, der Mühe hat, im neuen Land seinen Platz zu finden. Zu tief sind die Wunden aus der Nazizeit.

In der Beziehung zu seinem Mäzen prallen Welten aufeinander: zwischen Europa und Amerika, Alt und Neu, Künstler und Kapitalist. Über allem thront symbolisch das nie enden wollende Megabauwerk – für den einen eine Art -Gebetsraum, um zu vergessen, für den anderen ein Mittel der Selbstverherrlichung.

Einiges erinnert im Ehrgeiz, im Sujet an Orson Welles’ «Citizen Kane» (1941), an den einsamen Tycoon mit seinem Xanadu-Palast. Während Welles in Rückblenden erzählt, bleibt Corbet chronologisch. In seiner schieren Vielfalt wirkt «The Brutalist» emotional auch etwas sprunghaft, der epische Atem schluckt aber die Löcher.

Und Adrien Brody (51) verbindet mit seiner verletzlichen, zähen, oft auch aufbrausenden Art die Tonlagen. Der New Yorker dürfte wohl nach «The Pianist» seinen zweiten Oscar einheimsen. Für Brady Corbet, bisher bekannt als Schauspieler oder Regisseur kleiner Produktionen («Vox Lux»), dürfte «The Brutalist» alles auf den Kopf stellen, wie die Freiheitsstatue zu Beginn. Die Aufmerksamkeit Hollywoods hat er mit seinem eigen-willigen Drama auf sicher.

The Brutalist

Drama

D: Adrien Brody, Guy Pearce, Felicity Jones

USA 2024, seit 30. Januar 2025 im Kino

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Von Antonio Gattoni am 7. Februar 2025 - 08:28 Uhr